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08.01.08 Interpellation Umsetzung Asylgesetz

8. 1.08 Interpellation 08.11 Umsetzung Asylgesetz


GROSSER RAT AARGAU                                                           08.11


Interpellation der SP-Fraktion vom 8. Januar 2008 betreffend die aktuelle Situation von Asylsuchenden bei der Umsetzung des neuen Asylgesetzes


Text und Begründung:

Das neue Asylgesetz wurde im September 2006 im Kanton Aargau mit grossem Mehr angenommen. Eine der strengen Verschärfungen in diesem Gesetz ist der Sozialhilfestopp, eine andere die seit Anfang 2007 neu geltende Härtefallregelung. Beide Regelungen werden zurzeit umgesetzt, sind in dieser Umsetzung aber mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. In diesem Zusammenhang bittet die SP-Fraktion den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

1.       Was ist für diejenigen Asylsuchenden vorgesehen, deren Härtefallgesuch abgelehnt wurde und die die Schweiz doch nicht verlassen können? Beabsichtigt der Kanton, sie über weitere Jahre in diesem prekären Zustand zu belassen?

2.       Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde und die eigentlich die Schweiz verlassen müssen, aber die Schweiz nicht verlassen können (hängiger Wegweisungsvollzug), weil sie keine Papiere von ihren Botschaften erhalten, über Jahre nicht arbeiten dürfen? Welche Lösungen sieht der Regierungsrat für dieses Problem?

3.       Auch Menschen mit einer N-Bewilligung erhalten aufgrund der restriktiven Praxis der Arbeitsbewilligungserteilung selten eine Arbeit. Das heisst: Bei einer restriktiven (engen) Auslegung der Härtefallregelung läuft der Art. 14 Abs. 2 AsylG praktisch ins Leere. Kann es sein, dass im Aargau nur wenige Personen die Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 2 AsylG erfüllen? Oder heisst das nicht vielmehr, dass Art. 14 Abs. 2 AsylG gar nicht angewandt wird?

4.       Der Sinn von Art. 14 Abs.2 AsylG ist auch, dass Menschen, die seit Jahren in der Schweiz leben, endlich einen Aufenthaltsstatus erhalten, der es ihnen ermöglicht, sich beruflich voll zu integrieren. Was will man Jugendlichen anbieten, die eine N-Bewilligung haben und deshalb keine Lehre antreten können?

5.       Hat es zurzeit im Kanton Aargau bereits Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die sich im AHV-Alter befinden? Welche Vorkehrungen trifft der Regierungsrat für diese Personen?

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Interpellation 08.11 Antwort des Regierungsrates

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Antwort des Regierungsrates
Interpellation der SP-Fraktion vom 8. Januar 2008 betreffend die aktuelle Situation von Asylsuchenden bei der Umsetzung des neuen Asylgesetzes; Beantwortung

Aarau, 26. März 2008                                                                                                         08.11

I.

Text und Begründung der Interpellation wurden den Mitgliedern des Grossen Rats unmittel­bar nach der Einreichung zugestellt.

II.
Der Regierungsrat antwortet wie folgt:

Vorbemerkung
Seit dem 1. Januar 2007 kann der Kanton mit Zustimmung des Bundesamts für Migration einer Person aus dem Asylbereich eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn sie sich seit Einreichung des Asylgesuchs mindestens fünf Jahre in der Schweiz aufhält, ihr Aufenthaltsort den Behörden immer bekannt war und wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender Härtefall vorliegt (Art. 14 Abs. 2 des Asylgesetzes [AsylG]; SR 142.31).
Während es sich bei den beiden zuerst genannten Kriterien um neue Voraussetzungen handelt, ist der Begriff des schwerwiegenden persönlichen Härtefalls nicht neu. In seiner jahrelangen Rechtsprechung zur Härtefallregelung von Art. 13 lit. f der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO) hat das Schweizerische Bundesgericht eine umfangreiche Praxis entwickelt. Die Härtefallkriterien des Bundesgerichts haben sowohl Eingang in die Weisungen des BFM gefunden als auch in Art. 31 der am 1. Januar 2008 anstelle der BVO in Kraft getretenen Verordnung über die Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201). Das Migrationsamt berücksichtigt bei der Beurteilung von Härtefällen im Sinne der rechtsgleichen Rechtsanwendung diese verbindlichen Bundesvorgaben.

Zur Frage 1
„Was ist für diejenigen Asylsuchenden vorgesehen, deren Härtefallgesuch abgelehnt wurde und die die Schweiz doch nicht verlassen können? Beabsichtigt der Kanton, sie über weitere Jahre in diesem prekären Zustand zu belassen?“
Sinn und Zweck der Härtefallbestimmungen (Art. 14 Abs. 2 AsylG und Art. 31 VZAE) liegen darin, den Aufenthalt von ausländischen Personen regeln zu können, deren Rückkehr ins Heimatland aus humanitärer Sicht unzu­mutbar ist. Wurden sowohl das Asylgesuch als auch das Härtefallgesuch abgelehnt, steht fest, dass einer Rückkehr weder rechtliche noch humanitäre Gründe entgegenstehen. Die betroffenen, ausreisepflichtigen Personen werden im Rahmen der Rückkehrberatung finan­ziell und organisatorisch unterstützt.

Zur Frage 2
„Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde und die eigentlich die Schweiz verlassen müssen, aber die Schweiz nicht verlassen können (hängiger Wegweisungsvollzug), weil sie keine Papiere von ihren Botschaften erhalten, über Jahre nicht arbeiten dürfen? Welche Lösung sieht der Regierungsrat für dieses Problem?“
Abgewiesene Asylsuchende, deren Wegweisungsvollzug wegen fehlender Reisepapiere nicht möglich ist, können vom Bundesamt für Migration vorläufig aufgenommen werden (Art. 83 Abs. 2 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG]; SR 142.20). Voraussetzung ist allerdings, dass die Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs nicht durch eigenes Verhalten wie zum Beispiel ungenügende Kooperation bei der Papierbeschaffung verursacht wurde. Vorläufig aufgenommene Personen haben Zugang zum Arbeitsmarkt und können von Integrationsmassnahmen profitieren.

Zur Frage 3
„Auch Menschen mit einer N-Bewilligung erhalten aufgrund der restriktiven Praxis der Arbeitsbewilligungserteilung selten eine Arbeit. Das heisst: Bei einer restriktiven (engen) Auslegung der Härtefallregelung läuft der Art. 14 Abs. 2 AsylG praktisch ins Leere. Kann es sein, dass im Aargau nur wenige Personen die Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 2 AsylG erfüllen? Oder heisst das nicht vielmehr, dass Art. 14 Abs. 2 AsylG gar nicht angewandt wird?“
Neben der asylrechtlichen Arbeitsbeschränkung (Art. 43 AsylG) sind asylsuchende Personen auf dem Arbeitsmarkt dem Inländervorrang unterworfen (Art. 21 AuG). Sie können deshalb nur zu einer Erwerbstä­tigkeit zugelassen werden, wenn der Arbeitgeber nachweislich keine geeigneten inländischen Arbeitnehmenden oder Angehörige von Staaten, mit denen ein Frei­zü­gigkeits­abkommen abgeschlossen wurde, finden kann. Als inländische Arbeitnehmende gelten nebst Schweizer Staatsangehörigen auch Personen mit einer Niederlassungsbewilli­gung und Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung, die zur Ausübung einer Erwerbstätig­keit berechtigt sind.
Bei der Prüfung des Willens zur Teilhabe am Wirtschaftsleben (Art. 31 Abs. 5 VZAE) werden die genannten Einschränkungen angemessen berücksichtigt. Darüber hinaus werden nicht nur Erwerbssituationen, sondern auch andere im Zusammenhang mit der angestrebten beruflichen Integration ausgewiesenen Anstrengungen anerkannt wie zum Beispiel die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen und Sprachkursen oder der Nachweis von konkreten Bewerbungsbemühungen.

Zur Frage 4
„Der Sinn von Art. 14 Abs. 2 AsylG ist auch, dass Menschen, die seit Jahren in der Schweiz leben, endlich einen Aufenthaltsstatus erhalten, der es ihnen ermöglicht, sich beruflich voll zu integrieren. Was will man Jugendlichen anbieten, die eine N-Bewilligung haben und deshalb keine Lehre antreten können?“
Die Zulassungsvoraussetzungen des AuG sehen für Jugendliche keinen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt vor. Die Richtlinien des Bundes bestimmen, dass Lehrverhältnisse aufgrund ihres mehrjährigen Charakters nur dann zu bewilligen sind, wenn nicht die Gefahr einer baldigen Wegweisung besteht. Deshalb wird Jugendlichen mit hängigem Asylverfahren in der Regel keine Bewilligung zum Antritt einer mehrjährigen Berufslehre er­teilt.
Im Hinblick auf die angespannte Situation auf dem Lehrstellenmarkt sind aus betrieblichen und bil­dungspolitischen Gründen Lehrlinge, die ihre Ausbildung unabhängig von asylrechtlichen Verfahren und den damit zusammenhängenden Ungewissheiten durchlaufen können, vor­zu­ziehen.

Zur Frage 5
„Hat es zurzeit im Kanton Aargau bereits Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die sich im AHV-Alter befinden? Welche Vorkehrungen trifft der Regierungsrat für diese Personen?“
Zum heutigen Zeitpunkt lebt eine Frau im AHV-Alter mit hängigem Asylverfahren im Kanton Aargau. Spezielle Vorkehrungen sind aufgrund dieser Situation nicht angezeigt.

Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 2'107.–.

REGIERUNGSRAT AARGAU

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Persönliche Stellungnahme


O8.11

IP der SP-Fraktion betreffend die aktuelle Situation von Asylsuchenden bei der Umsetzung des neuen Asylgesetzes

In Ihrer Beantwortung gehen Sie nicht auf die von uns beschriebenen Schwierigkeiten ein, mit der die Praxis in der Umsetzung des neuen Asylgesetzes tagtäglich konfrontiert ist.

Zu Frage 1: Was ist für diejenigen Asylsuchenden vorgesehen, deren Härtefälle abgelehnt wurde und die Schweiz doch nicht verlassen können?

Bei Ihrer Beantwortung gehen Sie davon aus, dass alle abgewiesenen Asylsuchenden mit Unterstützung der Rückkehrberatung unser Land verlassen können. Für einen Teil der betroffenen Menschen stimmt das aber nicht. Hier wird zuwenig differenziert.  Eine Ausschaffung ist je nachdem nicht möglich, da die Herkunftsländer die Betroffenen nicht mehr aufnehmen, bzw. verfolgen. Seit dem 1.1. 08 greift nun die Nothilfe. Sie verunmöglicht aber ein menschenwürdiges Dasein. Es ist zu befürchten, dass in Zukunft noch mehr Betroffene illegal bei uns leben werden. Illegalität führt zur Zunahme sozialer Probleme, und die immer wieder kritisierte Ausländerkriminalität wird durch diese schwierigen Lebenssituationen verstärkt.  Der Staat wird so die Kontrolle verlieren, indem er die Menschen in die Illegalität drängt. Wir fordern ein menschengerechtes Vorgehen.

Bei den Fragen 2 und 3 nach der Arbeitsbewilligungserteilung erwähnen Sie die Beschäftigungs- und Integrationsmassnahmen. Hier besteht aber grosser Handlungsbedarf in unserem Kanton. Nachdem Nachbarskantone mit Integrationsvereinbarungen begonnen haben, verfügt der Kanton Aargau noch nicht mal über ein Konzept. Bis Mitte Jahr soll der Regierungsrat die Botschaft zum total revidierten EGAR mit integriertem Umsetzungskonzept „Integration“ beschlossen haben. Das neue eidgenössische Ausländergesetz verlangt zwingend Integrationsmassnahmen, schliesslich wurde damit im Abstimmungskampf auch geworben.

Wir möchten auch darauf hinweisen, dass der Bund den Kantonen quartalsweise pro anerkannten Flüchtling und pro vorläufig aufgenommene Person eine einmalige Integrationspauschale von 6000.- bezahlt. Diese ist zweckgebunden und dient namentlich der Förderung der beruflichen Integration und des Erwerbs einer Landessprache.

Aber was macht unser Kanton mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld?
Und seit anfangs Jahr ist die zuständige Integrationsstelle verwaist. Was gedenkt da der Regierungsrat zu unternehmen?
Wir sind auf die Ausführungen im EGAR gespannt.

Integriert sein und sich wohl fühlen ist für alle Menschen von grösster Bedeutung. Nur wenn sich jemand in einer Gesellschaft wohl fühlt, kann er oder sie sich dieser zugehörig fühlen, kann er oder sie sich mit ihren Institutionen und Werten identifizieren und diese verteidigen.

Gerade auch in Bezug auf die jugendlichen, ausländischen Menschen tragen wir da eine Verantwortung.

Mit der Antwort sind wir nicht zufrieden.

Gipf-Oberfrick, 17. 6. 08 / Elisabeth Burgener

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